Reim

Aus Heizipedia
(Weitergeleitet von Rhyme)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Reim

Der Reim ist das zentrale Gestaltungsmittel des Rap-Lyrik. Die Funktionen des Reims sind vielfältig. Er schmeichelt unserem Ohr und wirkt nach dem ästhetischen Prinzip der Einheit in der Vielfalt dann am überzeugendsten, wenn die Reimwörter originell sind, zu unterschiedlichen Wortarten gehören und in ihrer Bedeutung und ihren Konnotationen weit auseinander liegen. Außerdem bleibt Gereimtes besser im Gedächtnis des Hörers haften.

Definition

Technisch bezeichnet ein Reim den Gleichklang eines betonten Vokals und eines ihm folgenden Lauts bei verschiedenem Anlaut. Jeder Reim kann a) nach seiner Silbenzahl, b) nach seiner Stellung im Vers, c) nach seiner phonologischen (gegebenenfalls auch d) morphologischen) Struktur und (so der Reim am Versende steht) nach seiner e) Stellung am Versende beschrieben werden. Im Folgenden sollen die einzelnen Formen vorgestellt und an Beispielen deutscher Raptexte veranschaulicht werden.

Reime nach Silbenzahl

  • Männlich oder stumpf = einsilbig

Beide Zeilen enden auf einer betonten Silbe.

Ich bleib' ruhig und relaxt,
ich weiß, ich muss was ändern, doch auf jeden Fall nicht jetzt
(Sido)
  • weiblich oder klingend = zweisilbig

Beide Zeilen enden auf reimenden Silben, die erste ist betont, die zweite unbetont.

Ich bin unberechenbar im Vollbesitz all meiner Kräfte,
Cannabis, Rap-Biz, Film-Biz, das sind meine Geschäfte
(Ferris MC)
  • Gleitend oder reich = dreisilbig

Beide Zeilen reimen auf drei Silben, deren erste betont ist.

Ich red' nicht mit euch, schreibt mir doch Leserbriefe,
denn ich seh' in allen Menschen nur das Negative
(HE!Z)
  • Erweitert = vielsilbig

Beide Zeilen reimen auf mehrere Silben.

Selbst Steven Hawking kriegt bei meinem zweiten Lied ein' hoch,
es ist wie Usher und macht seinen kleinen Bieber groß
(HE!Z)

Reime nach Stellung im Vers

  • Endreim

Die häufigste Reimform: Ein Reim, der am Versende steht.

Ich hätt' jetzt gern 'n Gramm, oder wenigstens 'n halbes,
denn ohne krieg' ich Krämpfe, die mich lähmen, währ'nd mir kalt ist
(Balkano S.)
  • Anfangsreim

Beim Anfangsreim (auch: Eingangsreim) reimen die ersten Wörter zweier Verse.

Zeilen, die sich hinten reimen,
nennt man darum ein Gedicht.
Feilen muß man da nicht lange.
Kennt man eine andre Form?
(Michael Schönen)
  • Binnenreim

Ein Reim innerhalb einer Verszeile.

Hab keine Ziele, bis heut mich gegen diese gesträubt
und jeden zweiten dunklen, kleinen Funken Liebe bereut
(HE!Z)

Reime nach phonologischer Struktur

  • Reiner Reim

Im reinen Reim stimmt die hörbare Lautfolge der Reimsilben genau überein.

Nu mach! Sie fleht.
Ein Glück! Er geht.
  • Unreiner Reim

Beim unreinen Reim stimmt die hörbare Lautfolge der Reimsilben annähernd überein, Abweichungen treten in Klangfärbung und Betonung auf.

Ja, da nickt der Arzt, es ist ohne Scheiß
wie der Kölner Dom - da krieg' ich so 'nen Hals!
(HE!Z)

Mitunter lassen unreine Reime mundartliche Anklänge erkennen:

Ach neige,
du schmerzensreiche
(Goethe)
  • Endsilbenreim

Der Endsilbenreim reimt zwischen nebentonigen und unbetonten Endsilben und eignet sich damit gut für komische Effekte.

Es zucken die Blitze denn
Und stinken die Harpyien.
  • Rührender Reim

Ein rührender Reim liegt bei phonetisch gleichlautenden, aber bedeutungsverschiedenen Wörtern vor. Er wirkt etwas unbeholfen, macht beim Lesen aber Effekt.

Mich trifft ein hartes Los:
Ich mach mich von dir los.
  • Äquivoker Reim

Der äquivoke (gleichlautende) Reim reimt homophone Wörter – etwas für Sprachbastler.

Euch werd ichs lehren,
euch so zu entleeren.
  • Identischer Reim

Der identische Reim reimt dasselbe Wort; als Anti-Pointe höchst brauchbar.

Kindlein schlug sich an den Kopf,
blutig war darauf der Kopf.
  • Doppel- und Mehrfachreim

Doppel- und Mehrfachreime ergeben sich, wenn in zwei Versen zwei oder mehr Reimpaare reimen (s. auch erweiterte Reime). Wegen ihre künstlisch-künstlerischen Charakters sind Mehrfachreime ideal, um dichterische Könnerschaft und Einfallsreichtum zu demonstrieren.

Ich kose deinen lieben Busen,
vergesse alle sieben Musen.
  • Schüttelreim

Ein Schüttelreim ist ein Doppelreim mit zwei Anfangslauten oder -lautgruppen, die den Platz tauschen.

Bleich erglühen
gleich erblühen.

Den Schüttelreim hat leider das Schicksal ereilt, von sovielen Dichtern durch soviele Mühlen gedreht zu werden, dass er jeglichen originellen Charme verloren hat. Wer heute noch (auf nicht ausgetreteten Pfaden) schüttelreimen will, muss die tradierte Form zu übersteigen suchen.

Bilden Sie mal einen Schüttelreim mit:

Dario Fo
Der Nobelpreisträger Dario Fo
Spricht heute im Radio Fo(rstnachrichten)
 
Untenrum
Sechs Frauen rannten untenrum 
Fast nackig sieben Runten* um
*jap. Fabelvögel, 11. Jhr. 
(Thomas Gsella)  
  • Assonanz

Kein Reim im eigentlich Sinne: Nur die Vokale, nicht aber die Konsonanten stimmen überein. Ist aber durchaus legitim, findet sich z.B. häufig bei Heinrich Heine.

Was soll ich sagen?
Es waren die Raben.

Reime nach morphologischer Struktur

  • Gespaltener Reim

Der gespaltene Reim ist ein mehrsilbiger Reim, bei dem sich mindestens eines der Reimglieder auf zwei oder mehrere, meist kurze Worte erstreckt.

Es gibt nichts Gutes
außer: Man tut es.
(Erich Kästner)
  • Gebrochener Reim

Der gebrochene Reim ist ein Reim, der durch ein morphologisches Enjambement (einen Zeilenwechsel mitten im Wort) möglich wird.

Er bleibt im Trench-
coat der gleiche Mensch.

Dank des gebrochenen Reimes sind auch „unmögliche Reime“ möglich, also Reime auf Wörter, auf die sich sonst nichts reimt (z.B. „Mensch“).

  • Augenreim

Der Augenreim ist ein mehrsilbiger Reim, der sich nur orthographisch reimt. Er wird von der komischen Dichtung (bislang) eher selten genutzt.

Greif im Aldi in der Schlange
Aus dem Wagen die Orange.
Aber ach, welche Blamage:
Jene sah schon bessre Tage.
Auch das falbe Cordon Bleu:
nicht mehr nigelnagelneu.
Dieser Einkaufsvormittag
taugt noch als Gedichte-Gag.
(L.W.)

Reimfolgen am Versende

  • Paarreim

Form: aa bb cc (usw.)

(a) Ich geh im Urwald für mich hin...
(a) Wie schön, dass ich im Urwald bin:
(b) man kann hier noch so lange wandern,
(b) ein Urbaum steht neben dem andern.
(Heinz Erhardt)
  • Kreuzreim

Form: abab cdcd (usw.)

(a) Wir schreiten auf und ab im reichen Flitter
(b) Des Buchenganges beinah bis zum Tore
(a) Und sehen außen in dem Feld vom Gitter
(b) Den Mandelbaum zum zweitenmal im Flore.
(c) Wir suchen nach den schattenfreien Bänken.
(d) Dort wo uns niemals fremde Stimmen scheuchten
(c) In Träumen unsre Arme sich verschränken.
(d) Wir laben uns am langen milden Leuchten.
  • Umarmender Reim (auch: verschränkter Reim)

Form: abba (usw.)

(a) Mein Schatz:
(b) Du fürchtest dich!
(b) Das dauert mich,
(a) mein Spatz
  • Haufenreim (auch: Blockreim, Endreim)

Form: aaaa (usw.)

(a) auf den hohen Felsenklippen
(a) sitzen sieben Robbensippen
(a) die sich in die Rippen stippen
(a) bis sie von den Klippen kippen
  • Schweifreim

Form: aa b cc b (usw.)

(a) Ja, ich weiß, woher ich stamme,
(a) Ungesättigt gleich der Flamme
(b) Glühe und verzehr ich mich.
(c) Licht wird alles, was ich fasse,
(c) Kohle alles, was ich lasse,
(b) Flamme bin ich sicherlich
(Friedrich Nietzsche)
  • Kettenreim (auch: Terzinenreim)

Form: aba bcb cdc ded (usw.)

(a) Auf halbem Weg des Menschenlebens fand
(b) ich mich in einen finstern Wald verschlagen, 
(a) Weil ich vom rechten Weg mich abgewandt.

(b) Wie schwer ists doch, von diesem Wald zu sagen,
(c) Wie wild, rauh, dicht er war, voll Angst und Not; 
(b) Schon der Gedank erneuert noch mein Zagen.

(c) Nur wenig bitterer ist selbst der Tod; 
(d) etc.
(Dante)
  • Waise

Als Waise wird ein Vers bezeichnet, der sich nicht in das gegebene Reimschema einfügt, da er sich mit keiner anderen Zeile reimt.